Volker Janning

Der Chor im neulateinischen Drama

Formen und Funktionen

Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme –
Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 496
Band 7

2005, 440 Seiten, 8 Abbildungen, Harteinband
2005, 440 pages, 8 figures, hardcover

ISBN 978-3-930454-54-9
Preis/price EUR 42,–

17 × 24cm (B×H), 1040g

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Kurzzusammenfassung
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Repertorium der Chorlieder

Kurzzusammenfassung

Die Dissertation untersucht Formen und Funktionen des theatralen Elementes Chor in rund 170 neulateinischen Dramen, die überwiegend zwischen 1500 und 1650 erschienen sind. Sie zeigt, daß der neulateinische Chor nicht nur eine wichtige Rolle für die Strukturierung und künstlerische Gestaltung der Dramen spielt, sondern auch aufgrund seiner besonderen Vermittlerposition zwischen Dramengeschehen und Zuschauern einen wichtigen Beitrag zur Sozialisierungs- und Belehrungsfunktion des neulateinischen Dramas leisten kann.

Zu Beginn der Untersuchung erfolgt eine Einordnung des Themas in seinen größeren literarhistorischen Zusammenhang, wobei es vor allem darum geht, die im antiken Drama liegenden Wurzeln des neulateinischen Chores aufzuzeigen. Anschließend richtet sich der Blick auf dramaturgisch-bühnentechnische Aspekte der Chorverwendung (u.a. Integration des Chores in das dramatische Spiel, Arten seiner Zusammensetzung), worauf verschiedene Formen der Rezeptionssteuerung (Kommentare, Belehrungen, Erzählungen und affektiv- emotionale Äußerungen) erörtert werden, durch die der Chor einerseits zur Deutung des Dramas sowie andererseits zur Affizierung und Beeinflussung der Zuschauer beitragen kann.

Der Hauptteil der Arbeit konzentriert sich auf die Darstellung zahlreicher, inhaltlich sehr unterschiedlicher Chorlieder, die u.a. von menschlichen Lastern, Erziehungsfragen, Herrscherpflichten, Verheißungen des Martyriums und göttlichen Strafen handeln und im Hinblick auf die jeweils propagierten ethischen, politischen, religiösen und konfessionsspezifischen Wertvorstellungen untersucht werden. Nach Analysen zum Einsatz des Chores bei vier ausgewählten Autoren bietet ein Repertorium abschließend eine Übersicht über die Zusammensetzung von Chören sowie über Umfang, Ort, Inhalt und Versmaße von Chorliedern in 140 neulateinischen Dramen.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I. Einleitung

1. Begründung des Themas und forschungsgeschichtliche Skizze
2. Methodisches Vorgehen
II. Der neulateinische Chor und das antike Drama
1. Die neulateinische Dramatik und humanistische Antikenrezeption
2. Zur Verwendung des Chores im antiken Drama
2.1 Begriffsdefinition, Musik, Tanz, Gliederungsfunktionen und Zusammensetzung der Chöre im griechischen Drama
2.2 Lyrische Chorgesänge und Beteiligung am dramatischen Spiel
2.3 Der Chor in den Tragödien Senecas
3. Dramentheoretische Vorstellungen über den Chor in der Antike und frühen Neuzeit
4. Zum fakultativen Einsatz des Chores im neulateinischen Drama
III. Die Funktionen des neulateinischen Chores
1. Funktionen der Strukturierung und ästhetischen Variation
1.1 Zusammensetzung der Chöre
1.2 Gliederungsfunktionen
1.3 Lyrisches Chorlied und Beteiligung am dramatischen Spiel
1.4 Exkurs: Der Chor als Zwischenspiel
1.5 Musik, Tanz und Metrik
2. Funktionen der Moderierung und Belehrung des Zuschauers
2.1 Affektivität und Emotionalität des Chores
2.2 Kommentierungen und Bewertungen des Bühnengeschehens
2.3 Belehrungen, Appelle und Warnungen an das Publikum
IV. Themen, Topoi und Argumentationsformen der Chorlieder
1. Grundbedingungen und Gefährdungen des menschlichen Lebens
1.1 Die Unbeständigkeit des menschlichen Lebens
1.2 Die Universalität des Todes
1.3 Das Elend des Krieges
2. Die moralische Defizienz des Menschen
2.1 Beschreibungen und Bewertungen verschiedener Laster
2.2 Die Frau zwischen Lob und Schelte
2.3 Zu Ursachen menschlicher Bosheit und Lasterhaftigkeit
3. Zur rechten Gestaltung des menschlichen Lebens im privaten und öffentlichen Bereich
3.1 Lob der Tugenden
3.2 Die Frage nach der rechten Erziehung
3.3 Herrscherlob, Herrscherkritik, Herrscherpflichten
3.4 Die Bestimmung des menschlichen Glücks und das Lob des einfachen Lebens
4. Der Mensch in seiner Stellung zu Gott
4.1 Gebete zu Gott
4.2 Verheißungen des Martyriums
4.3 Strafen Gottes im Diesseits und Jenseits
4.4 Die Qualen des schlechten Gewissens
5. Die konfessionellen bzw. konfessionspolitischen Auseinandersetzungen
6. Zusammenfassung
V. Zur Verwendung des Chores bei ausgewählten Autoren
1. Jacob Schöpper: der Chor als nüchterner Kommentator und Belehrer
2. Theodor Rhode: der Chor im Kontext eines antikisierenden Stilideals
3. J. Cornelius Lummenaeus à Marca: der Chor als Hauptelement des Dramas
4. Nicolaus Vernulaeus: die bunte Varianz der Choreuten
5. Zusammenfassung
VI. Repertorium der Chorlieder

Literaturverzeichnis

Register

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EINLEITUNG (Auszug)

Begründung des Themas und forschungsgeschichtliche Skizze

Der Chor verläßt den engen Kreis der Handlung, um sich über Vergangenes und Künftiges, über ferne Zeiten und Völker, über das Menschliche überhaupt zu verbreiten, um die großen Resultate des Lebens zu ziehen und die Lehren der Weisheit auszusprechen. Aber er tut dieses mit der vollen Macht der Phantasie, mit einer kühnen lyrischen Freiheit, welche auf den hohen Gipfeln der menschlichen Dinge wie mit Schritten der Götter einhergeht – und er tut es, von der ganzen sinnlichen Macht des Rhythmus und der Musik in Tönen und Bewegungen begleitet.
Mit diesen Worten beschreibt Friedrich Schiller Funktionen eines Theaterelementes, das im antiken Drama eine zentrale Bedeutung besaß. Schillers Äußerungen stammen aus der Vorrede zum Trauerspiel »Die Braut von Messina« (1803), in dem der deutsche Dramatiker dem antiken griechischen Theaterchor wieder einen Platz in der Tragödie einzuräumen sucht. Aus diesem Grund setzt sich Schiller in der Vorrede intensiv mit dem tragischen Chor auseinander und erörtert dessen dramaturgische und moralisierend-kommentierende Aufgaben, der während seiner Reflexionen und Betrachtungen Ruhe in die Handlung bringe und dadurch auch dem Zuschauer die Möglichkeit zum distanzierten Innehalten biete. Bemerkenswert ist Schillers Auffassung, daß dem Chor insbesondere aufgrund seiner lyrischen Sprache eine Sonderstellung zukommt, die den modernen Tragiker befähigt, die poetische Ausdruckskraft im Drama zu steigern: Nur der Chor berechtigt den tragischen Dichter zu dieser Erhebung des Tons, die das Ohr ausfüllt, die den Geist anspannt, die das ganze Gemüt erweitert.

...

Für die nahezu ungebrochene Attraktivität des Theaterchores in der Neuzeit lassen sich mehrere Gründe anführen. Wichtig ist sicherlich zunächst der Einfluß der antiken Dramatiker, insbesondere Senecas und der griechischen Tragiker, deren Dramentechnik und Handhabung des Chores in unterschiedlicher Weise imitiert wird. Bemerkenswerte Versuche der Wiederbelebung des antiken Chores sind dabei John Miltons »Samson Agonistes« (1671) und Jean Racines »Esther« (1689). Stärker von den antiken Mustern entfernen sich Andreas Gryphius und Daniel Casper von Lohenstein. In ihren Stücken erscheinen am Ende der »Abhandlungen« chorähnliche Partien, die sogenannten »Reyen«. Parallel zu dem Prozeß der Rezeption, Imitation und Adaptation des antiken Dramas und Chores im Theater der Neuzeit kommt der Chor bekanntlich auch in der um 1600 entstehenden Oper zum Einsatz, die sich selbst – vermeintlich – am antiken Drama orientiert und dem Chor entsprechenden Raum gibt. Ein wichtiger Grund für die Attraktivität des Chores auf der Theaterbühne sind ferner die bereits für den antiken Chor charakteristischen Möglichkeiten zur Kommentierung des Bühnengeschehens und zur akustischen sowie optischen Belebung der Aufführungen. Schließlich bietet der Chor auch interessante Möglichkeiten zur Herausbildung neuer Spielformen. Beispiele hierfür reichen in der Moderne bis zu Inszenierungen des deutschsprachigen Theaters in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts. In diesen Jahren läßt sich nach Aussagen von Theaterwissenschaftlern sogar eine »Neubestimmung des Chorischen« – freilich nicht die des traditionellen Theaterchores – konstatieren.

...

Methodisches Vorgehen

Detaillierte Kenntnisse über die verschiedenen Formen und Funktionen des neulateinischen Chores lassen sich nur durch die Lektüre und Analyse möglichst vieler Primärtexte gewinnen. Die große Anzahl der für die Untersuchung in Frage kommenden Stücke zwingt dabei allerdings zu einer Eingrenzung des Untersuchungszeitraums. Berücksichtigt werden überwiegend Dramen, die europaweit etwa zwischen 1500 und 1650 erschienen sind. Die Beschränkung auf diese Zeitspanne erfolgt nicht nur aus Gründen der Arbeitsökonomie. Intendiert wird vielmehr auch eine möglichst gleichmäßige Erfassung der katholischen wie protestantischen Dramatik, deren gemeinsame Blütezeit in dem genannten Zeitraum anzusetzen ist. Im Laufe des 17. Jahrhunderts versiegt auf protestantischer Seite allmählich die Produktion neulateinischer Dramen, während sie im Ordensdrama der Benediktiner und vor allem der Jesuiten noch lange anhält.

Für die Untersuchung wurden ungefähr 300 Dramen eingesehen. Rund zwei Drittel dieser Stücke besitzen Chöre, auf die sich die Analysen dieser Arbeit im wesentlichen richten. Weitgehend unberücksichtigt bleibt die fast unübersehbare Anzahl an Jesuitenperiochen. Diese gedruckten Programme, die in der Regel zweisprachige Szenenparaphrasen enthalten und hierdurch vor allem dem lateinunkundigen Zuschauer ein Rahmenverständnis der Stücke ermöglichen sollten, bieten zwar einen guten Einblick in die generelle Beliebtheit und häufige Verwendung des Chores auf der Jesuitenbühne. Die Kürze der Szenenparaphrasen sowie das weitgehende Fehlen vollständiger Dramen- und Chortexte lassen aber in der Regel keine sicheren und befriedigenden Aussagen zur Verwendung der Chöre innerhalb der Akte und zur Gestaltung der Chorlieder bzw. der in den Chören dargebotenen Spielszenen zu.

Untersucht werden in dieser Arbeit dramaturgisch-bühnentechnische, philologisch-literarische und pädagogisch-soziologische Aspekte der Chorverwendung. In dramaturgisch-bühnentechnischer Hinsicht richtet sich der Blick auf die Zusammensetzung der Chöre, die Anzahl der Choreuten, ihre Einbindung in das dramatische Spiel sowie ihre tänzerischen und musikalischen Darbietungen. Von philologisch-literarischem Interesse sind vor allem intertextuelle Bezüge neulateinischer Chorpartien zu antiken Vorbildern. Die neulateinischen Bühnendichter lassen sich nämlich – abgesehen von biblischen Texten – in unterschiedlicher Weise von der antiken Dramatik, insbesondere von Seneca anregen. Zudem sind zahlreiche Abhängigkeiten von römischen Dichtern wie Vergil, Horaz, Ovid und Martial erkennbar. Pädagogisch-soziologische Funktionen der Chöre treten in den Kommentaren und Bewertungen des Bühnengeschehens sowie in den Belehrungen, Appellen und Warnungen an den Zuschauer bzw. Leser hervor. Auf diese Funktionen wird in der Untersuchung vorrangig eingegangen.

Zu Beginn der Untersuchung erfolgt eine Einordnung des Themas in seinen größeren literarhistorischen Zusammenhang. Dabei geht es vor allem darum, die im antiken Drama liegenden Wurzeln des neulateinischen Chores aufzuzeigen. Deshalb wird die chorische Technik der wichtigsten antiken Dramatiker kurz dargestellt. Darauf folgt die Skizzierung einiger antiker und frühneuzeitlicher dramentheoretischer Auffassungen über die Rolle des Chores, an denen sich die neulateinischen Dichter zumindest prinzipiell orientieren konnten. Der anschließende Überblick über Theaterstücke, die Chöre enthalten, illustriert den häufigen Einsatz des Chores im neulateinischen Drama (Kapitel II).

Bei der Erörterung der dramaturgisch-bühnentechnischen Aspekte des Chorgebrauchs lassen sich in den meisten Fällen nur dann Aussagen zur Anzahl und Identität der Choreuten, zur Existenz eines Chorführers oder zur Verwendung von Musik und Tanz treffen, wenn die Dramentexte hierüber Aufschluß geben. In dieser Hinsicht bieten die Jesuitenperiochen oft bessere Informationen über die konkreten Aufführungsbedingungen als die Dramendrucke. Dies gilt in erster Linie für die Rollen- und Schauspielerverzeichnisse am Ende der Periochen, die neben der Nennung der jeweiligen Komponisten und der personae musicae auch sehr wichtige Angaben über die Akteure und deren Anzahl in den Prolog- und Chorszenen bieten. Derartige Chorszenen werden in einem Exkurs näher vorgestellt, weil sie zeigen, daß der Begriff Chor im neulateinischen Drama nicht nur für eine Gruppe von Choreuten verwendet wird, sondern auch als ein gleichsam dramenstruktureller Begriff auf die Darbietung einer biblischen, mythologischen oder allegorischen Spielszene hinweisen kann. Im zweiten Hauptteil des Kapitels werden verschiedene Formen der Rezeptionssteuerung erörtert, d.h. Kommentare, Bewertungen, Belehrungen und affektiv-emotionale Äußerungen des Chores, die in verschiedener Weise einerseits zur Deutung des Dramas sowie andererseits zur Affizierung und Beeinflussung der Zuschauer beitragen (Kapitel III).

Chöre im neulateinischen Drama äußern sich kommentierend, erzählend und belehrend zu Lastern, Tugenden, Grundbedingungen des Lebens oder Fragen der Erziehung. Andere Chorlieder enthalten Gebete zum jüdisch-christlichen Gott, Erörterungen über das christliche Martyrium oder Warnungen vor den Strafen Gottes und spiegeln damit die christliche Prägung der neulateinischen Dramatik wider. Der diesen inhaltlichen Aussagen der Chorlieder gewidmete Hauptteil der Untersuchung über die »Themen, Topoi und Argumentationsformen der Chorlieder« gibt Auskunft über die gesellschaftlichen Ordnungen und philosophisch-theologischen Diskussionen der Zeit, die sich im neulateinischen Theater und seinen Chorliedern spiegeln: Es geht um die Wertevermittlung im Horizont antiker Ethik oder christlicher Tugend-, Sünden- und Bußlehren sowie um theologische Probleme, die zum Teil auch im Kontext kontroverstheologischer und konfessionspolitischer Debatten zu sehen sind. In diesem Kapitel wird inhaltlich erläutert, worin die didaktische Funktion des Theaters besteht. Dabei erfolgt aus Gründen der Anschaulichkeit eine teilweise ausführliche Paraphrase und Zitierung der Lieder; so kann auch ein Eindruck von ihrer sprachlich-stilistischen Qualität vermittelt werden (Kapitel IV).

Ein exemplarischer Einblick in die unterschiedliche chorische Technik neulateinischer Bühnendichter wird durch Analysen des Chorgebrauchs bei Jacob Schöpper, Theodor Rhode, J. Cornelius Lummenaeus à Marca und Nicolaus Vernulaeus ermöglicht, deren Stücke bis auf wenige Ausnahmen noch nicht in modernen Editionen vorliegen und in der Literatur bislang ein insgesamt geringes Interesse gefunden haben. Hier geht es vor allem darum, die Bedeutung und Stellung der Chöre im Kontext der jeweiligen Dramen aufzuzeigen und die Verzahnung von Chor und Handlung darzustellen (Kapitel V).

Das Repertorium am Ende der Arbeit enthält eine Übersicht über Inhalte, Verszahlen und Versmaße von Chorliedern aus 140 Dramen, die in dieser Arbeit vorgestellt werden. Diese Übersicht dient der Orientierung des Lesers und dokumentiert zugleich die Vielfalt der eingesehenen neulateinischen Spieltypen, bei denen es sich um Bibeldramen, Märtyrertragödien, Historienstücke und allegorische Dramen handelt (Kapitel VI).

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REPERTORIUM DER CHORLIEDER (Beispiel)

Dieses Repertorium bietet eine Übersicht über die Inhalte von 140 neulateinischen Dramen, über die Zusammensetzung der Chöre, über Umfang, Ort, Inhalt und Versmaße der Chorlieder sowie über die benutzten älteren Drucke bzw. neueren Editionen. Hinweise zur Zusammensetzung der Chöre erfolgen, soweit hierzu Angaben in den Spielfigurenverzeichnissen oder lateinischen Überschriften über den Chorliedern vorliegen, die in den alten Drucken oder auch neuen Editionen häufig Informationen über die Identität der Choreuten und die von ihnen erörterten Themen bieten. Die Inhaltsangaben enthalten kurze Beschreibungen, zuweilen auch stichwortartig formulierte Benennungen des bzw. der zentralen Themen eines Chorliedes. Kürzere Chorlieder, die innerhalb der Akte angestimmt werden, werden nicht immer aufgeführt. Die Sprechpartien der Chöre bleiben unberücksichtigt. Eine Ausnahme stellen die den Chören vorbehaltenen Schlußverse am Ende der Stücke sowie längere Vorträge dar, die in iambischen Trimetern bzw. Senaren, also gängigen Dramensprechversen, verfaßt sind, da es sich bei ihnen in den Einzelfällen oftmals nicht zweifelsfrei bestimmen läßt, ob sie von den betreffenden Autoren als Chorlieder aufgefaßt werden. Auftrittsankündigungen von Spielfiguren in den zwei genannten Versmaßen, die zuweilen am Ende von Chorliedern erfolgen, werden in der Regel notiert. Die Verwendung katalektischer Verse wird im Gegensatz zu akatalektischen Versen eigens vermerkt. Als polymetrisch werden Chorlieder bezeichnet, die mindestens drei verschiedene Versmaße aufweisen. Auf die Verzeichnung metrischer Mängel und vereinzelt auftretender fehlerhafter Verse muß angesichts der großen Anzahl der berücksichtigten Verse verzichtet werden. Aus dem gleichen Grund erfolgen auch keine Erörterungen hinsichtlich der metrischen und prosodischen Eigenheiten der einzelnen Dichter.

Unter der Abkürzung ›Zit.‹ erfolgt am Ende eines jeden Abschnittes ein Hinweis auf die jeweils verwendete und zitierte Dramenausgabe.

1. William Alabaster (1568–1640), Roxana

  • Inhalt: Tragödie über das grausame Schicksal der Roxana, die zusammen mit dem König von Bactria Oromasdes zwei Kinder hat. Die betrogene Königin Atossa rächt sich für den Ehebruch durch die Ermordung der Roxana sowie ihrer Kinder und stirbt am Ende mit ihrem Gatten durch eine gegenseitige Vergiftung.
  • Chorzusammensetzung (laut Spielfigurenverzeichnis): Chorus famularum Reginae.
  • Chorlieder: Ende des 1. Aktes, S. 11f., V. 295–326 (CHORUS EX TRIBUS): der Chor berichtet von schreckenden Träumen der Königin Atossa, vergleicht das aus verschiedenen Erscheinungen geformte bunte Bild des Traumes mit dem aus verschiedenartigen Blumen gewonnenen Honigsaft der Bienen und erzählt von zwei Erscheinungen: um Mitternacht habe er zwei Schlangen gesehen, die in Atossas Schlafgemach gekommen seien; mitten am Tag seien ein Wolf und ein klagender Uhu erschienen (32 Verse; anapästische Dimeter, kleinere Asklepiadeen und sapphische Elfsilbler); Ende des 2. Aktes, S. 24f., V. 643–673: Verurteilung des schädlichen Geredes (31 Verse; sapphische Elfsilbler, Adoneen und alkäische Strophen); Ende des 3. Aktes, S. 36f., V. 950–978 (CHORUS EX QUATUOR): Erörterungen über die Wirkmächtigkeit der sinnlichen Liebe – die Gewalt des ungebändigten Cupido und die Glut der Venus; als Beispiele dieser Leidenschaft werden Medea sowie der nachts durch den Bosporus zu seiner Geliebten schwimmende Leander angeführt (30 Verse; polymetrisch, darunter kleinere Asklepiadeen und sapphische Elfsilbler); Ende des 4. Aktes, S. 50f., V. 1304–1335 (CHORUS EX QUATUOR): angesichts der blutigen Ereignisse rufen die Choreuten Gott an, fragen, warum er nicht die Verbrechen mit rächender Hand strafe, und äußern sich nach weiteren Erörterungen am Ende hinsichtlich ihrer Eigenschaft als (unschuldige) Dienerinnen der Königin zu den Auswirkungen von Atossas Schuld und Schicksal auf sie selbst (32 Verse; anapästische Dimeter); im 5. Akt (Szene V,3), S. 56, V. 1444–1449 (Chorus canit): kurzes Lied für Atossa (6 Verse; anapästische Dimeter).

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