Monika Hölscher

Die Personennamen der kassitenzeitlichen Texte aus Nippur

Imgula
Band 1
Herausgegeben von Walter Sommerfeld

1996, 306 Seiten, broschiert
1996, 306 pages, paperback

ISBN 978-3-930454-03-7
Preis/price EUR 52,–

21 × 29,7cm (B×H), 800g

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Kurzbeschreibung:

Diese Arbeit erschließt den größten Teil des mittelbabylonischen Onomastikons. Gegenstand der Untersuchung sind alle Personennamen, die in den publizierten kassitenzeitlichen Urkunden, Briefen und Inschriften aus Nippur erscheinen. Unter jedem Namenseintrag sind folgende Informationen enthalten:

  • eine Auflistung sämtlicher Schreibweisen,
  • eine Analyse mit Übersetzung, sprachlicher Zuordnung oder Bestimmung der Bildungselemente,
  • weiterführende Literaturhinweise.

Alle Zitate sind prosopographisch gegliedert und mit den Angaben zu Verwandtschaftsbeziehungen, Berufsbezeichnungen oder Titeln versehen. Detaillierte Indizes schlüsseln das Namensgut systematisch auf. Sie verzeichnen und enthalten Querverweise zu:

  • Götter-, Orts- und Tempelnamen, die als Elemente von Personennamen belegt sind,
  • akkadischen Lexemen,
  • fremdsprachigen Namen (kassitischen, hurritischen, elamischen, westsemitischen).

Eine Liste sämtlicher Keilschriftzeichen, die in den Schreibungen der Namen erscheinen, gibt einen Überblick über das verwendete Syllabar und die Wortzeichen.

* * *

This study investigates and makes accessible the greater portion of the Middle Babylonian onomasticon. The subject at hand includes all personal names which appear in the published documents, letters, and inscriptions of the Kassite period in Nippur. Each name entry includes the following information:

  • a list of all writings (»spellings«),
  • an analysis with a translation, a language distinction or determination of the elements,
  • references to literature.

All cites are ordered prosopographically and augmented with information to filiation, profession or title. The names as a group are systematically detailed by extensive indices which list:

  • all names of divinities, places, or temples which are used as parts of personal names,
  • akkadian vocables und lexicographic lemmata,
  • names from foreign languages (Kassite, Hurrite, Elamite, westsemitic).

A list of all cuneiform signs which appear in the writings of the names gives a good view of the syllabary and logograms used.

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Aus dem Inhalt:

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Die Personennamen
Indizes

Akkadischer Wortindex
Götternamen
Ortsnamen
Tempelnamen
Elamische Personennamen
Hurritische Personennamen
Kassitische Personennamen
Westsemitische Personennamen
Die Keilschriftzeichen
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis

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EINLEITUNG (Auszüge – ohne Anmerkungen oder Diakritika)

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Keilschrifttexten aus einem der Hauptverwaltungszentren der Kassitenzeit, der Stadt Nippur.

Die frühesten Erwähnungen der Kassiten stammen aus der Zeit Hammurabis. Diese ersten Kontakte der Babylonier mit den nomadischen Einwanderern waren anfangs kriegerischer Natur. Die Herkunft der Kassiten ist unbekannt, und ihre Sprache, die mit keiner anderen bekannten Sprache des Alten Orients verwandt ist, ist nur dürftig überliefert. Nach dem Ende der altbabylonischen Periode und dem Sturz der herrschenden Dynastie durch die Hethiter übernahmen die Kassiten die Macht. Sie regierten so lange wie keine andere altorientalische Dynastie, nämlich ungefähr 450 Jahre, von ca. 1595–1155 v.Chr. Mit ihrer Herrschaft begann in Babylonien eine Periode von wirtschaftlicher und politischer Stabilität. Die Herrscher unterhielten einen regen Schriftverkehr mit Ägypten, Hatti und Assyrien. Eine kulturelle Blütezeit begann, in der die Künste und Wissenschaften sowie das literarische Schaffen florierten.

Dennoch ist die Kassitenzeit nach wie vor eine der am wenigsten erforschten Epochen der mesopotamischen Geschichte. Der überwiegende Teil der Texte aus dieser Zeit stammt aus Nippur. Bis heute sind erst ca. 10% der ungefähr 12.000 dort gefundenen Keilschrifttafeln veröffentlicht. Die meisten dieser Publikationen wurden zu Anfang dieses Jahrhunderts erstellt. Hier sind an erster Stelle die Arbeiten von Clay und Radau zu nennen. Von diesen Dokumenten, bei denen es sich fast ausschließlich um Urkunden und Briefe handelt, sind erst ca. 40% bearbeitet worden, der größte Teil davon ist jedoch völlig veraltet. Daher mußten nicht nur diese Texte neu umschrieben werden, sondern auch die bisher noch nicht behandelten, um die Basis für eine Prosopographie zu schaffen. Dies ist des weiteren auch die Voraussetzung für eine Untersuchung der komplexen Verwaltungsstruktur der Kassitenzeit.

Eingehende Monographien zu speziellen Aspekten der Kassitenzeit sind bisher selten geblieben. Eine der wenigen Arbeiten, die sich mit einem Teilgebiet der Verwaltung, nämlich der Buchungsterminologie, beschäftigen, stammt ebenfalls vom Anfang dieses Jahrhunderts, dennoch stellt Torczyners 1913 erschienene Untersuchung »Altbabylonische Tempelrechnungen« nach wie vor ein bisher nicht ersetztes Standardwerk dar, ebenso wie Clays »Personal Names from Cuneiform Inscriptions of the Cassite Period« von 1912. In den 50er Jahren erschienen drei weitere Publikationen, die sich mit Teilgebieten der Kassitenforschung beschäftigten: 1954 Balkans »Kassitenstudien 1, Die Sprache der Kassiten«, und 1955 und 1957 veröffentlichte Aro seine »Studien zur mittelbabylonischen Grammatik« und »Glossar zu den mittelbabylonischen Briefen«. Die letzten nennenswerten Arbeiten sind neueren Datums, zwei davon sind Keilschriftpublikationen: Bernhardt, Sozialökonomische Texte und Rechtsurkunden aus Nippur zur Kassitenzeit (1976) und Gurney, Middle Babylonian Legal Documents and other Texts (1974). Die von Bernhardt veröffentlichten Texte wurden bereits 1974 von Petschow in »Mittelbabylonische Rechts- und Wirtschaftsurkunden der Hilprecht-Sammlung Jena« bearbeitet, und Gurney legte 1983 die Bearbeitung der von ihm veröffentlichten Kopien aus Ur vor. 1976 erschien Brinkmans »Materials and Studies for Kassite History Vol. I«, der in diesem Katalog die datierten veröffentlichten und nichtveröffentlichten Dokumente der Kassitenzeit zusammenstellt.

Insgesamt gesehen ist also die wissenschaftliche Aufarbeitung der Quellen der Kassitenzeit völlig unzureichend, eine erneute Beschäftigung mit diesem Material ist daher ein dringendes Desiderat.

Die Quellen

Ziel dieser Arbeit war es, aufgrund der ca. 1200 veröffentlichten Keilschrifttafeln aus Nippur ein Namenbuch zu erstellen, wobei die Personennamen aus folgenden Texten vollständig aufgenommen wurden:

ABPh 29 (= PBS 7,29) ...

Verweise auf die Personennamen, die auch in CPN, ANG, Balkan, Kassitenstudien I, OMA I, NAOMA, Sommerfeld, Marduk und Brinkman, SCCNH 1, aufgeführt sind, sind vollständig vorgenommen worden, wobei die zahlreichen falschen oder veralteten Lesungen bei CPN nicht angegeben sind, sondern lediglich die Seitenzahl zitiert wurde. Andere Fachliteratur (AHw, CAD, NPN, u.a.) ist in ausgewählten Fällen genannt worden.

Bei Personennamen, die Bestandteil eines Ortsnamens sind, wurde lediglich auf die entsprechenden Toponyme in RGTC 5 und die Rezensionen hingewiesen. Nicht berücksichtigt wurden Namen, von denen nur der Personenkeil erhalten ist.

Probleme der Identifizierung

Das Namenbuch will möglichst viele Informationen zu den einzelnen auftretenden Personen zusammenstellen wie die Angabe der Tätigkeit bzw. den Titel, die Filiation, Datierung, Bedeutung des Namens sowie Literatur.

Die prosopographischen Untersuchungen wurden durch mehrere Umstände sehr erschwert:

  • Ca. 60% der Texte aus Nippur tragen entweder überhaupt kein Datum oder nur ein unvollständiges, bei dem der Königsname fehlt,
  • bei sehr vielen Namen steht weder eine Berufs- bzw. Titelangabe noch eine Filiation und
  • ein »Vollname« kann durch einen Kurznamen ersetzt werden.
Bei der Identifikation von Personen, die den gleichen Namen tragen, traten folgende Probleme zutage:
  • Filiationen, Berufe bzw. Titel und eine Herkunftsbezeichnung werden in den Texten nur sehr sporadisch angegeben; fehlen solche Angaben, dann kann der Nachweis, daß es sich um dieselbe Person handelt, nur erbracht werden, wenn bei den zu vergleichenden Texten z.B. Übereinstimmung bei mehreren Personennamen oder durch spezifische Kontexte gegeben ist.
  • Es ist wahrscheinlich, daß über die unten zusammengestellten Kurznamen hinaus noch in zahlreichen Fällen Träger eines Kurznamens mit solchen eines Vollnamens identisch sind, auch wenn dies im Einzelfall nicht mit Sicherheit nachzuweisen ist.
  • Die Namen der Form DUMU m.PN bereiten einige Schwierigkeiten. Es gibt viele eindeutige Fälle, bei denen mit Sicherheit Mar-PN zu lesen ist. So tritt z.B. ein Mar-Isbu-ula neben seinem Vater Isbu-ula auf oder ein Mar-Ninurta-rim-ilani neben seinem Vater Ninurta-rim-ilani (beide in PBS 1/2,77).

In anderen Fällen dagegen sieht es so aus, als ob zwischen DUMU m.PN und m.PN (ohne DUMU) kein Unterschied besteht, z.B. bei Abi-ensi: In BE 14,68,2 und 94,6 sowie BE 15,78,5 steht DUMU Abi-ensi NA.GAD, in CT 51,17,4 nur Abi-ensi NA.GAD. In allen Texten geht es um Vieh- bzw. Wollabrechnungen; die große Wahrscheinlichkeit der Identität wird außerdem dadurch gestützt, daß der weitere NA.GAD Sin-apla-iddina in allen vier Texten erscheint. In diesen Fällen treten m.PN und DUMU m.PN nie nebeneinander auf, und auch die Datierung liefert keinen Hinweis auf ein zeitlich aufeinanderfolgendes Auftreten von Vater und Sohn. Vielleicht bezeichnet die Angabe DUMU auch einen Haushalt, der für diese Vorgänge verantwortlich war. Trotzdem ist nicht völlig auszuschließen, daß es sich hier um Vater und Sohn handeln könnte, die zur gleichen Zeit als NA.GAD tätig waren. Das gleiche trifft zu auf (DUMU) Irme-tatta lu2.LUNGA2 (auch hier hätten, wenn es sich um Vater und Sohn handeln sollte, beide den gleichen Beruf und wären zur selben Zeit tätig gewesen), (DUMU) Kubatu und (DUMU) Abdadanu. Diese Häufung von gleichgearteten Fällen läßt die Annahme von Schreibfehlern unwahrscheinlich erscheinen.

Andere Beispiele wiederum lassen die Vermutung zu, daß DUMU m.PN verkürzt für PN1 DUMU PN2 steht. Als Beispiele seien hier genannt: Bubbu DUMU Sumu-libsi (BE 15,176,7) und DUMU Sumu-libsi (BE 15,52,19), sowie Zakiru DUMU Eribu NA.GAD (BE 14,99a,25;131,4) und DUMU Eribu NA.GAD (BE 14,89,5). Die Deutlichkeit der Kontexte spricht klar für die Identität. Das Beispiel Melen-Sah ist besonders verwickelt: Es ist ein DUMU Melen-Sah belegt, eine DUMU.MUNUS Melen-Sah, sowie zwei namentlich genannte Söhne Kakkisu und Muranu. Ob man bei DUMU Melen-Sah nun einen dieser beiden Personennamen ergänzen kann oder ob ein weiterer Bruder gemeint ist, ist hier natürlich nicht zu entscheiden.

Die Datierung

Anhand von Textvergleichen und Personen, die in mehreren Texten ähnlichen Inhaltes auftauchen, konnten die mittelbabylonischen Urkunden und Briefe entweder der Zeit eines Königs zugeordnet werden oder zumindest auf zwei beschränkt werden. Auf diese Art und Weise konnten rund 95% der Texte aus Nippur datiert bzw. annähernd datiert werden. Das Ergebnis zeigt, daß das Gros der schriftlichen Hinterlassenschaft der Kassiten in Nippur in die Zeit von Burna-Burijas II. bis Sagarakti-Surijas gehört, nur wenige Texte sind in die Zeit davor oder danach einzuordnen.

Die Namen

...

Problematische Lesungen und Deutungen

Durch das Vergleichen von Textinhalten und Personen, die in diesen Texten vorkommen, konnten auch viele Personennamen, die sich bisher jeglicher Deutung entzogen, identifiziert werden. So tauchte z.B. bei Clay der Name Pi-zi-ia-ni auf, dessen Etymologie unbekannt war. In Texten aus der gleichen Zeit mit ähnlichem Inhalt dagegen erschien mehrfach ein Tal-zi-ia-en-ni, ein hurritischer Name. Es lag also nahe, da noch mehrere Personennamen in diesen Urkunden übereinstimmten, hier den gleichen Namen zu sehen und damit den Lautwert tal2 für das Keilschriftzeichen PI anzusetzen. Pi-zi-ia-ni ist also Tal2-zi-ia-ni zu lesen, eine verkürzte Schreibung für Tal-zi-ia-en-ni.

...

Besonders interessant ist eine Gruppe von mittelbabylonischen Personennamen, bei denen als Ergebnis der Verkürzung nur das theophore Element mit der hypokoristischen Endung übrig geblieben ist. Diese Kurznamen sind sowohl mit als auch ohne Gottesdeterminativ versehen. Die meisten dieser Namen konnten erst identifiziert werden, weil sie in einer Reihe von Texten, die bisher nicht bearbeitet worden waren, mit dem Gottesdeterminativ erschienen. Zu diesen Namen zählen u.a. Kubatu (d.Kubu + atu), Babatu (d.Baba + atu), Baba'utu (d.Baba + utu) und Damutu (d.Damu + utu). Die Etymologisierung einiger dieser Namen wurde auch noch durch den Umstand sehr erschwert, daß sie in dieser Kurzform sehr oft mit anderen Keilschriftzeichen geschrieben wurden. An den eben genannten Beispielen soll dies verdeutlicht werden: So wird die Gottheit Kubu bzw. Kubi, wenn sie als selbständiger Gottesname auftritt oder Bestandteil eines vollständigen Namens ist, z.B. Kubu-eris, immer mit dem Zeichen KU3 geschrieben, in der verkürzten Form jedoch meist mit KU. Die Gottheit Baba erscheint nur mit der Schreibung d.Ba-ba6, in der Kurzform jedoch als Ba-ba-.

Andere Kurznamen dieser Art dagegen sind eindeutig, wie z.B. Istarjutu (d.Istar + jutu) und Nuskue'a (d.Nusku + e'a).

Doch trotz vieler neuer Ergebnisse bei der Lesung und Deutung von mittelbabylonischen Personennamen entziehen sich immer noch einige einer Identifizierung. Dies resultiert zum großen Teil daraus, daß nicht festgestellt werden kann, welcher Sprachfamilie der Name zuzuordnen ist. Im mittelbabylonischen Onomastikon sind neben kassitischen Personennamen akkadische, sumerische, elamische, hurritische und nordwestsemitische vertreten. Daneben sind jedoch auch Namen unbekannter Herkunft zu finden, die keiner bekannten Sprachfamilie zugewiesen werden können. Wie schwierig im Einzelfall oft eine Deutung ist, zeigt der Name Huti-napu bzw. Hudin-abu (Hu-di-na-bu). Die erste Variante wird als Elamisch gedeutet, bestehend aus den Elementen hut und napu, die zweite als hurritisch, sich zusammensetzend aus hudin und abu. Beide Lesungen sind möglich, und es ist nicht zu entscheiden, welcher Interpretation der Vorzug zu geben ist.

Im Namenbuch werden mit Sumerogramm geschriebene Namen, für die sich keine adäquaten akkadischen Beispiele finden lassen, in der sumerischen Schreibweise wiedergegeben, z.B. d.NANNA-ME-TUM2. Solche, bei denen eine akkadische Übersetzung sicher oder möglich ist, werden unter der akkadischen Form aufgeführt (s.o. md.NANNA-MU-HE2.GAL2).

Bei den meisten Namen, die ein DINGIR (= ilu), EN (= belu) oder GASAN/NIN (= beltu) beinhalten, kann nicht mit Sicherheit entschieden werden, ob die persönliche Form mit dem Possessivpronomen der 1. Person Sg. gemeint ist (= ili, beli oder belti) oder die unpersönliche. Im Namenbuch wurde in den meisten Fällen die persönliche Form vorgezogen.

d.KUR, d.KUR.GAL und d.MAR.TU werden stets mit Amurru wiedergegeben, auch wenn nicht auszuschließen ist, daß d.KUR in einigen Fällen den Gott Ramman bezeichnen könnte.

Anmerkungen zum Verwaltungssystem

Durch die Identifikation von Personen können Archivzusammenhänge rekonstruiert werden, die die Untersuchung der Aufgabengebiete einiger Personen möglich macht. Es zeigte sich, daß die einzelnen Verwaltungsangestellte wohl für bestimmte abgetrennte Tätigkeiten zuständig waren, sich die Aufgabengebiete aber auch überschneiden konnten. Im Rahmen dieser Arbeit wurden exemplarisch Innannu und Martuk(k)u ausgewählt, da sie die am häufigsten belegten Verwaltungsangstellte in der Administration von Nippur sind. Obwohl sie so oft genannt werden, ist von keinem der beiden ein Titel oder Beruf bekannt. Dies ist jedoch nicht nur bei ihnen der Fall, sondern auch bei anderen bekannten Angehörigen der Verwaltung. Innannu und Martuk(k)u sind mit einer Vielzahl von Tätigkeiten befaßt, über die in den Exkursen ein Überblick mit kurzer Zusammenfassung der Kontexte gegeben wird. Welche Stellung sie in der Administration inne hatten, wird nicht klar. Für die oberste Verwaltungsebene stehen stellvertretend Enlil-kidinni und Amil-Marduk, beide sandabakkus von Nippur. Das kassitische Verwaltungssystem ist bis heute weitgehend unbekannt. Seine Struktur läßt sich nicht mittels einzelner Texte erschließen, sondern bedarf einer umfassenden Spezialstudie, die den Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen würde.

Es müssen zwangsläufig aufgrund der beschränkten Anzahl von veröffentlichten Texten aus Nippur und vor allem wegen des Fehlens von vergleichbarem Material aus anderen Städten der mittelbabylonischen Periode, z.B. Babylon, viele Fragen offen bleiben. Es kann festgehalten werden, daß das administrative System während der Kassitenzeit sehr straff organisiert war mit dem König an der Spitze und einem sehr großen Beamtenapparat unter ihm. Nippur nahm in der mittelbabylonischen Verwaltung eine herausragende Stellung ein. Von hier aus wurde das umliegende Land bzw. die Orte verwaltet: Alle Ausgaben und Einnahmen wurden in den Verwaltungsarchiven registriert wie Versorgungsleistungen an Angehörige und Untergebene des Staates oder Einnahmen von Felderträgen.

Die Siegel und Siegelpraxis

Großer Wert wurde in dieser Arbeit auch auf die Einbeziehung der Siegel und die Siegelpraxis gelegt. Verwendet wurden Rollsiegel, die auf den noch nicht gebrannten Tontafeln abgerollt wurden; erst danach wurden die Tafeln beschrieben und gebrannt. Die meisten mittelbabylonischen Siegel aus Nippur tragen eine Inschrift und sind in der Regel nur durch Abrollungen überliefert.

Eine wichtige Erkenntnis, die zum Teil anhand persönlicher Überprüfungen an Tafeln in der Hilprecht-Sammlung in Jena gewonnen wurde, ist die, daß die Behauptung widerlegt werden kann, daß sich Siegelabrollungen nur auf Hüllentafeln finden. Die zu einer Hülle gehörige Innentafel enthält den gleichen Text, der manchmal auch gering abweichen kann. Hüllentafeln sind meist dicker als einfache. Bei der Überprüfung der in Jena befindlichen Keilschrifttexte mit Siegelabrollungen konnten Hüllentafeln in vielen Fällen mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Sie waren nämlich zu dünn, um eine Innentafel beinhalten zu können. Ein Exemplar war im übrigen zerbrochen gewesen und wieder zusammengeklebt worden. Wenn sich Spuren einer Innentafel gefunden hätten, wäre dies vom Restaurator vermerkt worden.

Eine nähere Untersuchung ergab dann, daß es sich bei diesen einfachen gesiegelten Tafeln meist um eine bestimmte Art von Verwaltungsurkunden handelte, nämlich die sog. aklu-Zuteilungen. Eine andere Urkundengruppe dagegen, die iska=ru-Zuteilungen, das sind Zuweisungen von Rohmaterial zur Weiterverarbeitung, zeigen ein anderes Bild. Soweit die Siegelabrollungen vorhanden sind, finden sie sich auf Hüllen. Es läßt sich also keine allgemein gültige Regel bezüglich der Siegelpraxis ableiten. Es waren offensichtlich einfache Tafeln und Hüllentafeln gesiegelt, ob man dahinter ein bestimmtes System vermuten kann, muß offen bleiben.

Auch die Frage, wer eine Urkunde siegelte, konnte nicht befriedigend beantwortet werden, doch lassen sich zwei Punkte vorläufig festhalten:

  • Bei den Siegelabrollungen auf aklu-Urkunden scheint es sich um die Siegel von Verwaltungsstellen zu handeln, da, soweit Namen in den Siegelinschriften erhalten sind, sie mit den Siegelbeischriften auf den Urkunden nicht übereinstimmen und andere Siegel von mehreren Personen benutzt werden, was sich am Beispiel einiger gut bezeugter Verwaltungsangestellter belegen läßt.

    ...

    Da keine Verwandtschaftsbeziehungen zwischen diesen Personen nachweisbar sind und es sich bei den beiden Personen, deren Name in den Siegelinschriften erhalten ist, um zwei bedeutende Persönlichkeiten handelt, ist also die Wahrscheinlichkeit sehr groß, daß es sich bei diesen Siegeln um »offizielle Amtssiegel« handelt und die Siegelbeischrift, soweit vorhanden, lediglich den »Angestellten« bezeichnet, der diesen Verwaltungsvorgang bearbeitet hat.

  • Bei den iskaru-Zuteilungen und bei anderen Empfangsquittungen steht in der Regel in der Siegelbeischrift der Empfänger der Waren, bei den iskaru-Zuweisungen sind dies meist Brauer und Müller. Ob es sich jedoch bei den Besitzern der Siegel wirklich um die in der Siegelbeischrift stehenden handelt, ist fraglich, da z.B. der Brauer Eulmas-bitu und der Müller Res-asusu einmal das gleiche Siegel benutzen. Es sieht also auch bei den iskaru-Zuteilungen so aus, als ob es sich nicht um die Siegel derer handelt, die in den Siegelbeischriften genannt werden, sondern auch um die Siegel von bestimmten Verwaltungsstellen. Inwieweit dies auch auf die Siegel auf anderen Empfangsquittungen zutrifft, kann nicht gesagt werden, weil in den Siegelinschriften nur sehr selten ein Siegelinhaber namentlich genannt wird oder aber der Name zerstört ist.

Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß neben gesiegelten Hüllen auch gesiegelte einfache Tafeln vorkommen und daß die Namen von Personen, die in der Siegelbeischrift genannt sind, nicht mit denen übereinstimmen, die in der Siegelinschrift stehen, soweit sie vorhanden sind, so daß der Schluß naheliegt, daß »Amtssiegel« verwendet wurden.

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